Sie sah nur eine kleine Hand, die einen Zettel auf den viel zu hohen Tresen des Bankschalters legte. „Bitte zahlen Sie von meinem Konto 50 Mark aus, wir haben nichts mehr zu essen.“ Es war Ende des Monats, ein Hilferuf. Aus Scham wurde das Kind zur Bank geschickt. Das Konto der Familie war nicht gedeckt. Was tun? „Ich ging zu meinem Chef und fragte: „Können wir das nicht doch auszahlen?“
„Diese Erfahrung hat mich geprägt.“, erinnert sich Rosemarie Miller-Weber an die Zeit, als sie vor 50 Jahren als junge Frau ihre Banklehre absolvierte. „Sowas habe ich damals öfter erlebt, dass Menschen einfach kein Geld mehr hatten, um das Nötigste zu kaufen.“
„2013 wurde die „Bürgerstiftung Leutkirch“ aus der Taufe gehoben.“, erinnert Rosemarie Miller-Weber, die vor 2 Jahren den Vorsitz von Rudi Dentler übernommen hat. Zusammen mit Silvana Schädle, die dem Vorstand seit gut einem Jahr angehört, blickt sie zurück auf die vergangenen 12 Jahre, in denen sich die Stiftung etabliert hat.
„Besondere Verdienste um die Bürgerstiftung haben sich Rudi Dentler und die Vorstände in den vergangenen Jahren erworben.“, zieht die Vorsitzende Bilanz. Auch mit dem aktuellen Vorstand sei die Stiftung in „sehr kompetenten Händen“.
„Wir sind ein optimales Team: Herr Stotz engagiert sich nicht nur persönlich ehrenamtlich für die Bürgerstiftung seit 13 Jahren, sondern stellt auch sein Büro als Anlaufstelle zur Verfügung. Herr Dr. Gallasch bringt sein Fachwissen im rechtlichen Bereich ein und Herr Braun ist unser Fachmann für die Immobilien, die die Bürgerstiftung geerbt hat. Petra Ertel unterstützt uns alle im schriftlichen und buchhalterischen Bereich.“
Im Januar wurde die Stiftung mit dem „Gütesiegel für Bürgerstiftungen“ ausgezeichnet. „Darauf sind wir sehr stolz.“, erklärt Silvana Schädle. Die Vergabe der Gelder für bestimmte Vorhaben wird vom Stiftungsrat, der Stifterversammlung sowie von Finanzamt und Regierungspräsidium überwacht. Nur die Stiftungen, die ausschließlich Projekte innerhalb ihrer Satzung direkt für die Bürger umsetzen, erhalten diese Auszeichnung.
„Unser Motto lautet: `Von Bürgern für Bürger`.“, erläutert Rosemarie Miller-Weber. „Es geht um die nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen in Leutkirch und den Ortschaften.“ Gefördert werden Projekte im sozialen Bereich. Aber auch die Themen Kultur, Bildung, Sport und Erziehung bilden Schwerpunkte der Stiftungsarbeit.
Die Spenden, die die Stiftung erhält, werden 1:1 wieder für die Bürger ausgegeben. Dies ist nur möglich, weil der gesamte Vorstand ehrenamtlich arbeitet. Dagegen bleibt der „Stiftungsstock“ als Grundkapital erhalten, hiervon wird nur der Zinsertrag verwendet. „Eine Stiftung ist für die Ewigkeit.“, erklärt Miller-Weber. „Ein Verein kann wieder aufgelöst werden, eine Stiftung nicht.“
Das schaffe Vertrauen. So verfüge die Stiftung neben privaten Spendern mittlerweile über einen festen Stamm von ca. 50 Leutkircher Firmen, die sich regelmäßig mit Spenden beteiligten. „Ohne diese Unterstützung könnten wir nicht erfolgreich helfen.“, betont Silvana Schädle. Und wenn es um größere Projekte gehe, könne man auf ein bewährtes „Stiftungsnetzwerk“ zurückgreifen, zu dem auch die Thussi-Drexler-Stiftung, die Siegfried-Gebhard-Stiftung, die Familie-Miller-Weber-Stiftung und die Volksbank-Stiftung gehöre.
Welches sind die „Herzensprojekte“ der Stiftung? Silvana Schädle und Rosemarie Miller-Weber müssen nicht lange überlegen. Trotz des großen Altersunterschieds haben die beiden Frauen den gleichen Blick auf die Frage, was wirklich wichtig ist.
Als einziges Projekt verfügt das Hospiz St. Ursula über ein eigenes Spendenkonto. 95 Prozent der Pflegekosten übernehmen die Krankenkassen, 5 Prozent müssen über Spenden finanziert werden. „Wir gleichen, wenn es notwendig wäre, zusammen mit der Stadt einen Abmangel aus, oder unterstützen das Hospiz bei Fortbildungen für die Pflegekräfte, zum Beispiel in Kinästhetik.“
Die weihnachtliche Schuh-Aktion für Kinder, bei der bedürftige Familien über die „Tafel“ Gutscheine erhalten, die Förderung der Turnstunden für Kinder mit Einschränkungen in der Turnhalle am Oberen Graben, die Finanzierung von Essens-Marken in der Mensa der Gemeinschaftsschule sind weitere Bausteine der Stiftungsarbeit.
Um gegen Einsamkeit im Alter vorzubeugen, übernimmt die Stiftung die Betriebskosten des Fahrzeugs, mit dem der „Sonnentreff“ ältere, nicht mehr mobile Menschen zum Mittagessen abholt.
„Darauf freuen sich die Menschen. Es ist wenigstens einmal die Woche ein fester Termin, der die Einsamkeit durchbricht. Gemeinsam essen, sich unterhalten, das tut einfach gut.“, betont Miller-Weber.
„Wir sind immer offen für Anregungen.“, erklärt Silvana Schädle und ihre Augen blitzen voller Unternehmungsgeist. „Dass in Bad Wurzach und Isny jetzt ebenfalls Bürgerstiftungen entstanden sind bzw. entstehen, freut uns ganz besonders.“
Weitere Infos und Spendenkonten unter www.Buergerstiftung-Leutkirch.de